Camerarius digital
Das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt Camerarius digital (bewilligt für 36 Monate, Beginn 2021) baut auf dem Vorgängerprojekt „Opera Camerarii“ auf und zielt darauf ab, das umfangreiche griechisch-lateinische Gesamtwerk des Camerarius per „Optical Character Recognition“ (OCR) als computerlesbaren Volltext zugänglich zu machen. Hierzu wenden Philologen und Informatiker in enger Zusammenarbeit neue Verfahren zur Texterkennung historischer Drucke an und optimieren sie. Die lateinischen Werke des Camerarius werden als zitierfähige und durchsuchbare Transkriptionen vorliegen.
In Verbindung mit diesem Korpus wird ein Online-Lexikon erstellt. Dieses bettet – strukturiert nach zeitgenössischen Wissensfeldern – das Œuvre des Camerarius in die Diskurslandschaften des 16. Jahrhunderts ein und macht dessen Entstehungs- und Wirkungskontexte sichtbar. Es verortet somit die Ergebnisse des werkzentrierten Vorgängerprojektes in größeren Zusammenhängen und nutzt dabei die Vorteile eines durchsuchbaren eText-Korpus.
In „Camerarius digital“ sind informatische und philologische Forschung eng aufeinander abgestimmt: Die OCR erweitert das WIKI um Volltexte und ermöglicht es, die Werke des Camerarius mit quantitativen Verfahren (Frequenzanalyse, Topic Modeling) systematisch zu untersuchen. Die Themenseiten des Lexikons nutzen alle Vorteile der semantischen Verknüpfung und bilden als dynamische Wissensspeicher eine interaktive Enzyklopädie, die auf die OCR-erkannten Texte und die Datenbank „Opera Camerarii“ verweist und die jeweils von dort aus angesteuert werden kann.
„Camerarius Digital“ erlaubt es, das bisher unscharfe Profil eines einflussreichen frühneuzeitlichen Universalgelehrten detailliert nachzuzeichnen und hiervon ausgehend die Diskurslandschaften des 16. Jahrhunderts exemplarisch zu vermessen. Der Gewinn für die informatische Seite des Projekts besteht in der Entwicklung, Erprobung und Verfeinerung technischer Verfahren zur OCR historischer Drucke sowie im Erstellen von Trainingsdaten und -modellen, die in enger Zusammenarbeit mit Philologen an einem umfänglichen, aber überschaubaren Korpus erarbeitet werden. Der Gewinn für die philologisch-historische Frühneuzeitforschung liegt im umfassenden online-basierten Zugriff auf das Werk eines in und mit diversen Denkkollektiven agierenden und von diesen beeinflussten Autors. Das hochkomplexe Geflecht zeitgenössischer Wissensproduktion wird mit Hilfe der Wiki-Technik differenziert und benutzerfreundlich dargestellt.
Mit dieser innovativen Verknüpfung philologischer und informatischer Forschung ist „Camerarius digital“ ein Modell für interdisziplinäre Zusammenarbeit auf dem Feld der historischen Digital Humanities.
Das Projekt wird von dieser Arbeitsgruppe an der JMU Würzburg realisiert. .